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Ich liebe die Gedichte von Erich Kästner

 

Maskenball im Hochgebirge
(Erich Kästner)

Eines schönen Abends wurden alle
Gäste des Hotels verrückt,
und sie rannten schlagerbrüllend aus der Halle
in die Dunkelheit und fuhren Ski.

Und sie sausten über weiße Hänge.
Und der Vollmond wurde förmlich fahl.
Und er zog sich staunend in die Länge..
So etwas sah er zum erstenmal.

Manche Frauen trugen nichts als Flitter.
Andere Frauen waren in Trikots.
Ein Fabrikdirektor kam als Ritter.
Und der Helm war ihm zwei Kopf zu groß.

Sieben Rehe starben auf der Stelle.
Diese armen Tiere traf der Schlag.
Möglich, daß es an der Jazzkapelle -
denn auch die war mitgefahren - lag.

Die Umgebung glich gefrornen Betten.
Auf die Abendkleider fiel der Reif.
Zähne klapperten wie Kastagnetten.
Frau von Cottas Brüste wurden steif.

Das Gebirge machte böse Miene.
Das Gebirge wollte seine Ruh.
Und mit einer mittleren Lawine
deckte es die blöde Bande zu.

Dieser Vorgang ist ganz leicht erklärlich.
Der Natur riß einfach die Geduld.
Andere Gründe gibt es hierfür schwerlich.
Den Verkehrsverein trifft keine Schuld.

Man begrub die kalten Herrn und Damen.
Und auch etwas Gutes war dabei:
Für die Gäste, die am Mittwoch kamen,
wurden endlich ein paar Zimmer frei.

Quelle https://www.deutschelyrik.de/kaestner.html


 

Hotelsolo für eine Männerstimme
(Erich Kästner)

Das ist mein Zimmer und ist doch nicht meines.
Zwei Betten stehen Hand in Hand darin.
Zwei Betten sind es. Doch ich brauch nur eines.
Weil ich schon wieder mal alleine bin.
 
Der Koffer gähnt. Auch mir ist müd zumute.
Du fuhrst zu einem ziemlich andren Mann.
Ich kenn ihn gut. Ich wünsch dir alles Gute.
Und wünsche fast, du kämest niemals an.
 
Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen!
(Nicht meinetwegen. Ich bin gern allein.)
Und doch: Wenn Frauen Fehler machen wollen,
dann soll man ihnen nicht im Wege sein.
 
Die Welt ist groß. Du wirst dich drin verlaufen.
Wenn du dich nur nicht allzu weit verirrst...
Ich aber werd mich heute nacht besaufen
und bißchen beten, daß du glücklich wirst.


Sachliche Romanze
(Erich Kästner)

 

Als sie einander acht Jahre kannten
(und man darf sagen: sie kannten sich gut)
kam ihre Liebe plötzlich abhanden.
Wie andern Leuten ein Stock oder Hut.

Sie waren traurig, betrugen sich heiter,
versuchten Küsse, als ob nichts sei,
und sahen sich an und wussten nicht weiter.
Da weinte sie schließlich. Und er stand dabei.

Vom Fenster aus konnte man Schiffen winken.
Er sagte, es wäre schon Viertel nach vier
und Zeit, irgendwo Kaffee zu trinken.
Nebenan übte ein Mensch Klavier.

Sie gingen ins kleinste Café am Ort
und rührten in ihren Tassen.
Am Abend saßen sie immer noch dort.
Sie saßen allein, und sie sprachen kein Wort
und konnten es einfach nicht fassen.



Und wunderschön:

Ein Liebesgedicht aus dem Mittelalter

https://www.deutschelyrik.de/under-der-linden.html

Vorgelesen von  Fritz Stavenhagen

 

Unter der Linden
(Walter von der Vogelweide)

 

Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
Dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
Vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.

Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
Dâ wart ich empfangen,
hêre frouwe,
daz ich bin saelic iemer mê.
Kuster mich? wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt.

Dô het er gemachet
alsô rîche
von bluomen eine bettestat.
Des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
Bî den rôsen er wol mac,
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.

Daz er bî mir laege,
wessez iemen
(nu enwelle got!), sô schamt ich mich.
Wes er mit mir pflaege,
niemer niemen
bevinde daz, wan er und ich.
Und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sîn.


Übertragen in Hochdeutsch

 

Unter der Linde,
auf der Wiese,
dort wo das Bett von uns zweien war,
da könnt ihr sehen,
liebevoll gebrochen,
Blumen und Gras.
Vor einem Wald in einem Tal,
tandaradei,
sang schön die Nachtigall.

Ich kam gegangen
zu der Wiese:
Mein Geliebter war schon vor mir da.
Und so begrüßte er mich,
heilige Jungfrau,
daß ich darüber für immer glücklich bin.
Ob er mich küßte? Sicherlich tausendmal:
tandaradei,
seht, wie rot mein Mund ist.

Er hatte aus
Blumen ein herrliches
Bett hergerichtet.
Darüber wird sich jeder von Herzen
freuen,
der dort vorübergeht.
An den Rosen kann er noch gut,
tandaradei,
erkennen, wo mein Kopf lag.

Daß er mit mir schlief,
wüßte das jemand
(nein bei Gott!), dann schämte ich mich.
Was er mit mir tat,
niemand jemals soll das
wissen außer ihm und mir.
Und jenem kleinen Vogel:
tandaradei,
der wird sicherlich verschwiegen sein.